Nachhaltigkeit im Lebensmittelsektor: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
3. September 2025
Lesezeit: 6 Min
Angesichts wachsender globaler Nachfrage nach Lebensmitteln und gleichzeitig zunehmendem Druck zur Dekarbonisierung rückt die Frage in den Fokus, wie nachhaltige Praktiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette etabliert werden können.
Laut der Europäischen Umweltagentur (EEA) stammen rund 11 Prozent der CO₂-Emissionen und mehr als die Hälfte der Methanemissionen in der EU aus der Landwirtschaft. Um die Klimaziele der EU für 2030 zu erreichen, muss der Sektor seine Transformation deutlich beschleunigen. Seit 1990 konnten die Emissionen zwar um 25 Prozent gesenkt werden, doch das reicht nicht aus.
Nachhaltige Landwirtschaft leistet weit mehr als nur einen Beitrag zum Klimaschutz: Sie stärkt die Ernährungssicherheit, schützt die Biodiversität, verbessert die öffentliche Gesundheit und erhöht dadurch die gesellschaftlicher Resilienz. Wenn Effizienzsteigerung und Umweltfreundlichkeit Hand in Hand gehen, kann Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich tragfähig sein.
Ein zentrales Problem der Lebensmittelindustrie: Die meisten Emissionen entstehen nicht bei den verarbeitenden Unternehmen selbst, sondern bei den landwirtschaftlichen Erzeugern – also weit „stromaufwärts“ in der Lieferkette. Unternehmen können ihre direkten Emissionen (Scope 1) – etwas aus eigenen Produktionsanlagen oder Fahrzeugen – sowie indirekten Emissionen aus eingekaufter Energie (Scope 2) relativ gut erfassen und reduzieren. Die größten Hebel zur Emissionsminderung liegen jedoch bei den landwirtschaftlichen Bereichen. Um die Klimaziele der Lebensmittelindustrie zu erreichen, ist daher eine enge Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette unerlässlich.
Datenlücken und Zielkonflikte bremsen Fortschritt
Ein weiteres Hindernis: In vielen Ländern fehlen verlässliche Daten zur Emissionslage. Die EU hat den Agrarsektor sogar aus ihrer Taxonomie für nachhaltige Investitionen ausgeschlossen – zu groß seien die Unsicherheiten bei der Datenerhebung. Außerdem besteht ein Zielkonflikt zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit – sowohl auf Unternehmens- als auch auf Verbraucherseite
Trotz dieser Herausforderungen setzen sich immer mehr Unternehmen Nachhaltigkeitsziele. Sie streben nicht nur eine effizientere, sondern auch eine umweltfreundlichere Produktion an. Wenn diese beiden Ziele miteinander verbunden werden, kann ein langfristig tragfähiges Geschäftsmodell entstehen.
Biodiversität rückt in den Fokus
Seit dem globalen Biodiversitätsabkommen von 2022 ist der Schutz von Ökosystemen und dem Verlust von Biodiversität stärker in den Fokus gerückt – auch bei Unternehmen und Investoren. Ein zentrales Vorhaben ist der Schutz von 30 Prozent der Land- und Wasserflächen bis 2030. Dieses Ziel rückt näher. Unternehmen und Investoren gleichermaßen reagieren zunehmend auf diese Dringlichkeit, auch weil Projekte zum Naturschutz sichtbare und greifbare Wirkungen entfalten.
Im Gegensatz zu CO₂-Emissionen lassen sich Fortschritte beim Schutz der Natur und Biodiversität jedoch schwerer quantifizieren. Die ING entwickelt derzeit ein eigenes Bewertungsmodell, um die Auswirkungen ihrer Finanzierungen auf die Natur besser zu verstehen und gezielt steuern zu können. Die bestehende Kundenbetreuung mit Fokus auf den Übergang zu nachhaltigen Geschäftspraktiken wird um naturbezogene Kriterien erweitert. Ziel ist es, dieselben hohen Standards wie in anderen Sektoren – etwa im Bergbau – auch in der Landwirtschaft anzuwenden. Dabei werden unterschiedliche Aspekte wie der Wasserverbrauch und das Abfallmanagement in Molkereien oder Brauereien berücksichtigt.
Darüber hinaus erwarten Banken von ihren Kunden, dass sie über einen tragfähigen Transformationsplan verfügen, um den ökologischen Herausforderungen – zunehmend auch im Bereich Natur- und Biodiversitätsschutz – zu begegnen.
Regenerative Landwirtschaft als Zukunftsmodell
Noch steht die regenerative Landwirtschaft am Anfang. Hier besteht großes Potenzial – vorausgesetzt, es gelingt, die gesamte Lieferkette einzubinden. Ein Modell mit „Naturgutschriften“, das ähnlich wie CO₂-Zertifikate funktioniert, könnte Investitionen in nachhaltige Praktiken attraktiver machen.
Derzeit fließen die meisten EU-Fördermittel in konventionelle Landwirtschaft. Alternative, nachhaltigere Ansätze erhalten bislang wenig Unterstützung. Zudem fehlt es an Kooperation entlang der Wertschöpfungskette und an einheitlichen Standards zwischen den Ländern.
Die Transformation der Landwirtschaft und somit der Lebensmittelindustrie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – mit weitreichenden Folgen für Klima, Umwelt und Gesundheit. Durch Finanzierung, Fachwissen und ein starkes Netzwerk unterstützen Banken ihre Kunden dabei, eine nachhaltige und widerstandsfähige Zukunft zu gestalten.
Die Gesellschaft ist auf dem Weg zu einer CO2 neutralen Wirtschaft. Das gilt auch für unsere Firmenkunden und für die ING. Wir finanzieren jede Menge nachhaltiger Aktivitäten aber die nicht nachhaltigen überwiegen noch. Unseren Fortschritt sehen Sie auf Opens in a new tabing.com/climate.