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Starker Euro – Fluch oder Segen?

8. August 2025

Lesezeit: 4 Min

Mitte Juni sprach EZB-Präsidentin Christine Lagarde von einem „Global Euro Moment“. Angesichts der drohenden US-Zölle eine eher optimistisch klingende Aussage. Doch sie passte in den Zeitgeist: Trumps erratische Wirtschaftspolitik und Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit schaden der US-Wirtschaft und eröffnen Europa neue, ungeahnte Chancen. So jedenfalls das Narrativ von Lagarde und vielen Europäern. Aber nutzt Europa diesen Moment auch wirklich?

Chief economist

Carsten Brzeski

Die Stärke des Euros 2025 überrascht. Seit Trumps Amtsantritt stieg der Euro von 1,05 auf zeitweise fast 1,20 US-Dollar pro Euro. Die schier nicht enden wollende Zoll-Saga hat entgegen den Erwartungen den Euro nicht geschwächt, sondern gestärkt. Das hat einerseits damit zu tun, dass die Handelspolitik Donald Trumps nicht nur einhergeht mit erratischen Ankündigungen, Drohungen und Rückziehern, sondern auch mit ständigen Angriffen auf die Unabhängigkeit der amerikanischen Notenbank sowie einer Fiskalpolitik, beispielsweise durch den „One Big Beautiful Bill Act“, die die Staatsverschuldung in den USA weiter in die Höhe treiben wird. Anleger schichten um.

Gleichzeitig hat die Schuldenbremsenwende der neuen deutschen Bundesregierung mit einem Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen und einem „whatever it takes“ für Verteidigung die Hoffnung geweckt, dass Deutschland (und Europa) wirtschaftlich und geopolitisch endlich aus den Vollen schöpfen werden. Diese Hoffnung spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass der Euro nicht nur gegenüber dem US-Dollar, sondern auch gegenüber den meisten anderen Währungen aufgewertet hat. Der nominal effektive Wechselkurs des Euros ist seit Anfang des Jahres um gut 7 Prozent gestiegen.

Für die Eurozone ist der starke Euro Fluch und Segen. Einerseits zeigt die Aufwertung Vertrauen in das Potenzial der Währungsunion. Andererseits wirkt der starke Euro wie ein Zoll auf Exporte. Der EZB hilft der starke Euro, ihr Inflationsziel durch billigere Importe, vor allem von Energie, schneller zu erreichen.

Seit Einführung des Euros träumen Europäer davon, den US-Dollar als Leitwährung abzulösen. Doch Europa muss aufpassen, nicht den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Eine globale Leitwährung erfordert einen integrierten Kapitalmarkt, Akzeptanz als Transaktions- und Reservewährung und die Bereitschaft, in Krisen als „Lender of Last Resort“ aufzutreten; für Kapitalmärkte und Geopolitik. Für Europa bedeutet das: die Vollendung der Kapitalmarktunion, die Schaffung einer Anlagemöglichkeit wie Eurobonds als „sicherer Hafen“, Produkte, die weltweit nachgefragt werden und militärische Unabhängigkeit.

Solange die Musik in Sachen Künstlicher Intelligenz allerdings in den USA spielt, Europa sich nicht auf weitreichende Reformen und Integration einigt und der Aufschwung nicht über schuldenfinanzierte Impulse hinausgeht, bleibt Lagardes „Global Euro Moment“ ungenutzt. Europa hat die Chance, einen großen Schritt nach vorne zu machen. Es muss sie nur nutzen.

 

Diese Kolumne erschien zuerst im E-Magazin Opens in a new tabDerTreasurer Kompakt" vom 07.08.2025.

Der aktuelle Ausblick von ING Deutschland Chefvolkswirt Carsten Brzeski

In seiner Kolumne im E-Magazin „DerTreasurer Kompakt" wirft Carsten Brzeski einmal pro Quartal einen Blick auf das aktuelle wirtschaftliche Umfeld. Carsten Brzeski ist Global Head of Macro Research der ING und seit 2013 Chefvolkswirt für Deutschland.

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