Gute Laune macht noch kein Wirtschaftswunder
13. August 2025
Lesezeit: 5 Min
Ein spannendes erstes Halbjahr liegt hinter uns – US-Präsident Trump hat die Welt nicht nur in Atem gehalten, sondern kurzfristig auch die deutsche Wirtschaft „great again“ gemacht. Zuletzt zeigten sich allerdings die negativen Auswirkungen der US-amerikanischen Handelspolitik.
Senior Economist
Franziska Biehl
Der Blick nach vorne ist, zumindest unter den Unternehmen, positiv – hier könnte allerdings der Wunsch Vater des Gedanken sein. Die Probleme der deutschen Wirtschaft sitzen zu tief, als dass Geld allein ein Wirtschaftswunder 3.0 realisieren könnte.
Einmaleffekte statt nachhaltiger Erholung
Der Blick auf die nackten Zahlen hätte, bis Ende Juli, kaum schöner sein können. Im ersten Quartal war die deutsche Wirtschaft um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gewachsen. Auch die Frühindikatoren zeigen seit Jahresbeginn aufwärts. Doch manchmal liegt die wirtschaftliche Schwäche im Detail.
Bereits in Trumps ersten Tagen im Amt wurde deutlich: Handelspolitisch würde im weiteren Jahresverlauf ordentlich was auf uns zukommen. US-Importeure reagierten prompt und zogen ihre Bestellungen vor. Auch aus Deutschland, mit dem Ergebnis, dass die deutschen Exporte im Vergleich zum Vorquartal deutlich anstiegen. Mit den im zweiten Quartal implementierten Zöllen haben sich diese sogenannten „Frontloading-Effekte“ dann allerdings gedreht. Die Exporte sind im zweiten Quartal gegenüber dem ersten Quartal gesunken, und da die heimische Nachfrage sich nicht deutlich genug erholte, um diesen Effekt auszugleichen, schrumpfte die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal 2025 um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal.
Realitätscheck für Optimisten
Mit Blick auf die Zukunft gibt es sicherlich Gründe für mehr Optimismus – gleichzeitig ist die Liste an Risiken aber nach wie vor lang. Zum einen bleiben die US-Zölle eine Belastung für die deutsche Exportwirtschaft. Zwar haben sich die USA und die EU auf einen Deal geeinigt, doch mit einem Basiszoll von 15 Prozent liegt das Zollniveau deutlich höher als noch zu Beginn des Jahres. Und es geht weiter – der Euro hat in den vergangenen Monaten deutlich an Stärke gewonnen, nicht nur gegenüber dem Dollar, sondern auch gegenüber anderen Währungen. Eine zusätzliche Last für exportorientierte Unternehmen, denn ganz automatisch verkaufen sie ihre Produkte nun zu einem höheren Preis ins Ausland. Das Exportwunder aus dem ersten Quartal dürfte sich so schnell also nicht wiederholen – ganz im Gegenteil.
Ein weiteres Risiko bleibt zudem die heimische Nachfrage – zwar hellt sich die Stimmung unter den Unternehmen zusehends auf, doch gute Laune allein macht noch kein Wirtschaftswachstum. Dafür müsste sich der Optimismus noch in Investitionen übersetzten. Positiverweise ist das Investitionspotenzial, dank des 500 Milliarden Infrastrukturfonds der Bundesregierung, dem „Whatever it takes“ im Bereich Verteidigung sowie dem Investitionsversprechen der Initiative „Made for Germany“, im ersten Halbjahr deutlich gestiegen. Wenn die Gelder zielführend eingesetzt werden, sollten wir zumindest einen konjunkturellen Aufschwung erleben – um langfristig wieder an Wettbewerbsfähigkeit dazuzugewinnen und zu strukturellem Wachstum zurückzukehren, braucht es allerdings noch mehr. Mehr Planungssicherheit, mehr Investitionsaktivität und mehr Fokus auf die strukturellen Herausforderungen der Zukunft.
Und mehr Initiativen, die den Haushalten zugutekommen. Denn aktuell ist die Kauflaune unter den Verbrauchern noch im Keller. Gleichzeitig bleibt die Unsicherheit, die durch den sich abkühlenden Arbeitsmarkt noch verstärkt wird, ebenso wie die Sparneigung hoch.
Wie weit geht die EZB?
In Anbetracht der schwächeren heimischen Nachfrage und der Abkühlung am Arbeitsmarkt dürfte allerdings auch der Preisdruck weiter nachlassen und die deutsche Inflation, die zuletzt zwei Monate in Folge bei 2 Prozent lag, dürfte in den kommenden Monaten noch etwas mehr Spielraum nach unten haben. Wir gehen davon aus, dass die EZB den Einlagenzins im September noch einmal um 25 Basispunkte auf 1,75 Prozent senken wird. Und das dürfte es dann erst einmal gewesen sein, mit EZB-Zinssenkungen.
Tatsächlich dürfte die nächste Richtung, die die EZB für die Leitzinsen dann einschlägt, aufwärts sein. Allerdings ist das weder Thema für dieses noch für nächstes Jahr. Denn für den Moment bleibt die Liste an wirtschaftlichen Risiken noch länger als die Liste an substantiellen Wachstumschancen. Dementsprechend ist für das Gesamtjahr 2025 noch davon auszugehen, dass Deutschland es nicht weit über die wirtschaftliche Stagnation herausschaffen wird. Der Optimismus dürfte sich erst gegen Ende des Jahres in reale Aktivität und 2026 in solides Wachstum übersetzen. Dabei gilt allerdings nach wie vor: gute Laune, und Geld allein, macht noch kein Wirtschaftswunder. Das schafft nur Mut zum strukturellen Wandel, Innovationskraft und zielgerichtete Investition.
Der Makromonitor mit Franziska Biehl
Im "Makromonitor" gibt ING-Volkswirtin Franziska Biehl einmal pro Quartal Updates und Einschätzungen zu makroökonomischen Trends und Ereignissen.
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